Nachgerdacht im Juni 2025

Worte anders gelesen - Taten, die religiös motiviert sind

Warum es gut ist, manche Worte genau(er) zu nehmen.

Immer wieder heißt es in Schlagzeilen: „Es war eine religiös motivierte Tat“. Und oft ist es allen, die das lesen oder hören, klar, was dann folgt. Denn meist versteckt sich hinter diesem Nachrichten-Satz, dass es einen neuen Terroranschlag gab; dass Menschen zu Schaden gekommen sind; dass es Tote und Verletzte gab. Und dann gibt es noch mehr Hass und Hetze in den so genannten Sozialen Netzwerken, wo Leute die schreckliche Tat kommentieren.

Eine „religiös motivierte Tat“: das verbinden viele mit Fanatismus, Radikalismus und Terrorismus. Und für manche scheint sich dann zu bestätigen, dass Religionen angeblich eh nur Unheil über die Welt bringen - egal welche. Und tatsächlich gibt es dafür einige Beispiele. Alles, was extrem gelebt wird, dient nicht dem guten Ganzen. Gewalt, Hass, und stereotype Festlegungen von ganzen Personengruppen sind oft die Folge. Das gilt auch für andere Bereiche, wie etwa für die Politik oder für weltanschauliche Ideologien.

Dass Religion missbraucht wird, ist ein altes Phänomen, von dem auch das Christentum nicht frei ist, wie ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt. Religion kann für Zwecke der Macht missbraucht werden, gerade auch wegen ihres Anspruchs, für das Gute zu stehen. Da ist die moralische Fallhöhe noch größer. Und dafür sind alle anfällig, weil es eben Menschen sind, mit freiem Willen - auch zum Bösen.

Egal wie ich zu Religion stehe: Genau und differenziert hinzuschauen gehört hier wie überall auch dazu. Ich bin überzeugt, in ihrer guten, nicht extremen Ausformung - von ihren Idealen und Werten her - sind alle Religionen trotz ihrer Unterschiede darauf angelegt, dass sie den Menschen in seiner stetigen Sehnsucht nach Sinn und Lebensglück ansprechen können.

Das ist religiös motivierend. Und eben auch motivierend zum Guten. Ich habe viele Beispiele dafür kennengelernt. Es sind Namen und Personen und Begegnungen. So hat mich Mahmoud sehr beeindruckt, 2015 aus Syrien geflüchtet, der immer wieder Menschen in seinem Umfeld unterstützt hat und auch Menschen geholfen hat, die in Not geraten waren. Das hat er getan, weil seine Religion dies als Verhaltensregel aufzeigt, wie er sagt. Oder das Beispiel des Taxifahrers in Mannheim, der den Amokfahrer gestoppt hat. Der Taxifahrer - ein religiöser Mann, ein Muslim. Einer, der - wie er sagte - sich aus religiösen Motiven dem Terror in den Weg gestellt hat. Weil er Menschenleben retten wollte. Eine religiös motivierte Tat - zum Guten.

Und dann gibt‘s die vielen, die nicht in den Nachrichten vorkommen, weil es so normal - und zu normal ist: die Welt ist voll von Menschen, die sich eben aus religiösen Gründen für andere einsetzen: für Ausgegrenzte und Klein-Gemachte, für Menschen in Not, für Arme und Bedürftige. Das sind Menschen, die „eine religiös motivierte Tat“ begehen, immer wieder und täglich. Sie zeigen auch, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Stereotype Annahmen und Festlegungen sind nicht der Weg. Differenzieren und genau hinschauen und hinhören lässt das Bild klarer werden. Das hilft auch der Balance der eigenen Position. Manchmal beginnt es damit, dass ich einen Satz mit neuer Perspektive lese: „Es war eine religiös motivierte Tat.“

Autor: Esther Braun-Kinnen

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